Bildungsagenda nationalsozialistisches Unrecht (NS-Unrecht)

Auf Initiative und mit Zuwendungsmitteln des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) startete die Stiftung EVZ 2021 ein neues Vorhaben: die Bildungsagenda NS-Unrecht. Finanzielle Mittel werden vom Deutschen Bundestag im Rahmen der „Folgeaufgaben der Wiedergutmachung an Opfer der NS-Verfolgung“ für das Vorhaben freigegeben und über das BMF bereitgestellt.

Aktuelle Herausforderungen und Bedarfe

Die Auseinandersetzung mit NS-Unrecht und seinen Fortwirkungen und die historisch-politische Bildungsarbeit über diese Zeit wird künftig auf medial vermittelte Formen angewiesen sein. Ohne die Generation der Überlebenden und mit zunehmender zeitlicher Distanz nimmt das Wissen über NS-Geschichte und den Holocaust ab. Gleichzeitig ist eine besorgniserregende Zunahme von Antisemitismus, Antiziganismus und Rassismus zu verzeichnen. Immer häufiger kommt es zu antisemitisch, antiziganistisch und rassistisch motivierten Gewalttaten und Anschlägen wie z.B. die Attentate in Hanau und Halle.

Unser Ansatz

Die Bildungsagenda NS-Unrecht leistet angesichts der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen in der historisch-politischen Bildung zum NS-Unrecht in Deutschland und Europa einen Beitrag. Durch geschichtsbewusste, aktivierende Vermittlung der Lehren aus der NS-Vergangenheit und die Sichtbarmachung von Erfahrungen der von Verfolgung Betroffenen werden demokratische Haltungen gestärkt und Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und LGBTIQ-Feindlichkeit entgegengewirkt.

Die Projekte machen die Schicksale der verfolgten Menschen und Gruppen sichtbar, mit einem besonderen Fokus auf diejenigen, die bisher weniger öffentliche Aufmerksamkeit erhalten haben. Seien es

  • Juden:Jüdinnen, Rom:nja und Sinti:ze,
  • aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgte Menschen,
  • Menschen mit Behinderungen,
  • Zwangsarbeiter:innen,
  • geraubte Kinder,
  • politisch, religiös und als „asozial“ Verfolgte,
  • zivile Opfer der deutschen Besatzungspolitik

oder seien es Widerstandstandskämpfer:innen, Helfer:innen und Retter:innen in der Zeit des Nationalsozialismus, des Holocaust und während des Zweiten Weltkriegs in Europa.

Auch die Geschichte Deutschlands in der Nachkriegszeit, vor allem in Bezug auf die Bewältigung der Kriegsfolgen, die Prozesse der gesellschaftlichen und politischen Aufarbeitung der Völkermorde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland (Stichwort: Wiedergutmachungspolitik) werden beleuchtet.

Dabei bedienen sich die Projekte der Bildungsagenda NS-Unrecht interdisziplinär und multiperspektivisch ganz unterschiedlicher Formate und Ansätze: Partizipative Theater- und Ausstellungskonzepte, Archive und Bilddatenbanken zur NS-Geschichte, berufsgruppenorientierte Bildung gegen Diskriminierung, ortsspezifische Apps und Serious Games wie auch neue Wege der Erinnerung für Gedenkstätten schaffen Sichtbarkeit und fordern Auseinandersetzung ein, mit einem besonderen Augenmerk auf jüngere Generationen.

Förderphasen

Das Vorhaben ist als überjähriges Programm mit vier Förderschwerpunkten konzipiert: In einer ersten Phase im Jahr 2021 wurden zunächst beispielhafte Projekte von bundesweiter Bedeutung und europäischer Dimension gefördert. Auf dieser Grundlage werden in einem zweiten Förderzeitraum Programmlinien entwickelt, die zwischen 2022–2024 umgesetzt werden.

Förderschwerpunkte

1 – Bilden in kulturellen Räumen

Emotionale und niedrigschwellige Zugänge zur Geschichte des Nationalsozialismus und das Aufzeigen von historischen Kontinuitäten ermöglichen eine Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart. Gefördert werden kulturelle Einrichtungen in Deutschland, die multidimensionale Bildungsprojekte entwickeln wie auch öffentlichkeitswirksame Ausstellungen mit bundesweiter und europäischer Strahlkraft.
 

2 – Bilden in digitalen Lernräumen

Beispielhafte digitale Instrumente und Formate für die zeitgemäße Bildung ermöglichen die Erinnerung 4.0 – in bundesweiten Kooperationen von Historiker:innen, Pädagog:innen und Civic-Tech-Akteur:innen.
 

3 – Transfer

Qualifizierungsangebote ermöglichen Wissenstransfer und Interventionskompetenzen für relevante Berufsgruppen in Deutschland. Sie verstehen sich als lebensbegleitende Lernaktivitäten, die dazu befähigen, fundierte Zusammenhänge zu erkennen, sich systematisches Geschichtsbewusstsein anzueignen und wertebasiertes Handeln in der Gegenwart zu fördern.
 

4 – Europa

Gemeinsames Erinnern an die gesamteuropäische Dimension von NS-Unrecht in transnationalen und innovativen Verbundprojekten stärkt den Zusammenhalt in Europa.

Annette Schavan

Die MEMO-Studie macht deutlich, dass Erinnerung ein Prozess ist, nie ein fertiges Produkt. Es sind Generationen-, Herkunfts- und Bildungsfragen, die unsere Erinnerung determinieren – und die auch deutlich machen, dass die Beschäftigung mit NS-Unrecht zum lebenslangen Lernen gehört.
Annette Schavan
Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung EVZ und Bundesbildungsministerin a. D.

Beirat

Die durch Ausschreibungen an die Stiftung EVZ herangetragenen Projektvorschläge werden einem internationalen Beirat bestehend aus Vertreter:innen des Kuratoriums der Stiftung EVZ und des BMF vorgelegt und von diesem bewertet.

BMin a. D. Annette Schavan, Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung EVZ (Vorsitzende)
Regierungsdirektorin Dr. Annika Wernecke, Bundesministerium der Finanzen
Jonathan Mack, Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung EVZ
Dr. LL.M. Avraham Weber, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung EVZ
MdB Dietmar Nietan, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung EVZ
Prof. Dr. Susanne Sophia Spiliotis, Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung EVZ
Christoph Kübel, Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung EVZ
MdB Ulle Schauws, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung EVZ

Bisherige Erkenntnisse

Seit Ende 2021 ist die Bildungsagenda NS-Unrecht nun in Bewegung: Mit einem beachtlichen Output an Kunstinstallationen, Theaterpremieren, Workshops, digitalen Spielen und Apps lässt sich ein erstes Fazit ziehen:

  • Lebendig wird Erinnerungskultur, wenn sich Grenzen verschieben und über die unterschiedlichen Zugänge von Lern- und Kulturorten, Arbeitsstätten und urbanen Räumen neue Erzählformen Anwendung finden.
  • Aktiv wird Erinnern dort, wo Jugendliche, Theater-Laien oder Berufstätige über das Lernen hinaus selbst recherchieren, reflektieren und erzählen. 
  • Hörbar wird Erinnerungskultur dann, wenn sie Bezüge ins Jetzt, zu Kontinuitäten von Diskriminierung herstellt und Opfergruppen, die bisher wenig hörbar waren, Stimmen gibt.
     

Strukturierter Dialog

Im Rahmen des Programms findet begleitend unter Einbindung des BMF als Zuwendungsgeber ein strukturierter, multilateraler Dialog mit einschlägigen Praktiker:innen, verschiedenen zivilgesellschaftlichen Akteur:innen, Expert:innen sowie Vertreter:innen von NS-Opfer- und Verfolgtengruppen und ihrer Nachfahren statt.

Mehr zur Bildungsagenda NS-Unrecht

  • Bildungsagenda NS-Unrecht

    Digitale Soundwelten, 360°-Rundgänge, partizipative Theater- und Ausstellungsprojekte, berufsgruppenbezogene Initiativen gegen Antisemitismus, neue Zugänge zu Biografien von NS-„Euthanasie“-Opfern und vieles mehr – die Projekte der Bildungsagenda im Überblick.

  • Zweite Edition

    Die zweite Ausgabe des Magazins der Bildungsagenda NS-Unrecht ist ab dem 10. September hier online zu finden und kann als Printausgabe bestellt werden! Einen Vorab-Einblick bietet der Beitrag „3 Millionen Namen“ von Sophie Ziegler: Die Reportage berichtet eindrücklich über das Bildungsagenda-Projekt „Schicksale aus Polen 1939-1945. Erinnern lokal & digital“ und hebt einzelne Biografien der polnischen Opfer des NS-Regimes hervor.

  • Stiftung EVZ

    Publikationen, digitale Formate, Videos, Audioformate und Tätigkeitsberichte – die Infothek bietet alle Medien von und über die Stiftung EVZ im Überblick.

  • Bildungsagenda NS-Unrecht

    Für das Input- und Vernetzungstreffen der Bildungsagenda NS-Unrecht bringt die Stiftung EVZ die Träger:innen laufender Projekte einmal im Jahr in Berlin zusammen: Neben Talks und Workshops mit und von Expert:innen haben die Teilnehmenden Gelegenheit, sich kennenlernen und sich projektübergreifend auszutauschen.

  • Bildungsagenda NS-Unrecht

    Im Newsletter zur Bildungsagenda NS-Unrecht berichtet die Stiftung EVZ im monatlichen Wechsel mit dem stiftungseigenen Format aus laufenden Projekten und Presse – mit Interviews, innovativen Projektansätzen, Bildern und vielem mehr.

  • Veranstaltungsreihe

    Mit Education in Motion möchte die Stiftung EVZ die Expertise, die im Rahmen der durch die Bildungsagenda NS-Unrecht geförderten Projekt gesammelt wurde, einem Fachpublikum und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen und an aktuelle Diskurse anknüpfen.

Kontakt

Sie haben Fragen oder Anregungen zur Bildungsagenda NS-Unrecht? Bitte kontaktieren Sie .