Mit Unterstützung aller Fraktionen im Deutschen Bundestag wurde am 2. August 2000 das Gesetz zur Gründung der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft verabschiedet. Dies war ein rechtlicher und moralischer Meilenstein, um ehemaligen Zwangsarbeiter:innen und anderen vom Unrecht des Nationalsozialismus Betroffenen individuelle humanitäre Zahlungen zu ermöglichen und die Erinnerung an das ihnen zugefügte Unrecht für kommende Generationen wachzuhalten.  

Zur Satzung der Stiftung EVZ

Charlotte Knobloch

Für die Opfer ist die Anerkennung des erlittenen Leides mindestens ebenso wichtig wie eine finanzielle Entschädigung.
Charlotte Knobloch
Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern zum Beginn der Zahlungen an NS-Zwangsarbeiter:innen im Jahr 2000

Aufarbeitung der NS-Zwangsarbeit und Stiftungsgeschichte als Zeitstrahl

  1. Zwangsarbeiter im KZ Dachau

    Zwangsarbeit im NS

    Im Deutschen Reich mussten zwischen 1939 und 1945 schätzungsweise über 13 Millionen Menschen Zwangsarbeit leisten; in den besetzten und kontrollierten Gebieten weitere 13 Millionen. Zwangsarbeit war nahezu allgegenwärtig und überall.

  2. Unterzeichnung des Londoner Schuldenabkommens

    Bundesentschädigungsgesetz

    Nach der Befreiung litten viele Zwangsarbeiter:innen unter schweren Folgeschäden. Individuelle Entschädigungsansprüche oder Lohnnachzahlungen wurden verweigert. Das Bundesentschädigungsgesetz von 1953 schloss im Ausland lebende sowie nicht rassistisch oder politisch Verfolgte von Leistungen aus.

  3. Protestgrafik

    Erste Zahlungen

    Zur Beförderung der Westintegration leistete die BRD Zahlungen an einzelne Staaten in Form sogenannter Globalabkommen – aber keine individuellen Entschädigungen. Sie zahlte 1952 an Israel 3,5 Milliarden DM sowie zwischen 1959 und 1964 an mehrere westeuropäische Staaten insgesamt 900 Millionen DM.

  4. Der Wollheim-Prozess

    Die Schadensersatzklage von Norbert Wollheim gilt als Musterfall und erste Klage eines ehemaligen Zwangsarbeiters. Im Zuge des Prozesses einigten sich die IG Farben, der Kläger und die Jewish Claims Conference auf eine Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter:innen in Höhe von 30 Millionen DM.

  5. Öffentlicher Druck

    In den 1990er Jahren brachten Initiativen und Druck aus den USA das Thema Entschädigung der NS-Zwangsarbeit in die (inter-)nationale Öffentlichkeit. 1998 einigte sich der Bundestag darauf, eine Stiftung zur Entschädigung von Zwangsarbeit unter Beteiligung der deutschen Wirtschaft einzurichten.

  6. Einigung zur Entschädigung

    Am 17. Dezember 1999 verkündete Bundespräsident Johannes Rau die Einigung zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeit. In seiner Ansprache bat er um Vergebung für begangenes Unrecht. Mehr als 25 Millionen Menschen wurden 1939-1945 zur Zwangsarbeit im Deutschen Reich oder den besetzten Ländern verschleppt.

  7. Vertragsunterzeichnung

    Am 17. Juli 2000 unterzeichnete die BRD ein Abkommen mit den USA sowie eine internationale Vereinbarung unter Beteiligung Israels, mittel- und osteuropäischer Staaten, der deutschen Wirtschaft und Klägeranwälte. Die BRD und deutsche Wirtschaft würden je fünf Milliarden DM in die Stiftung einzahlen.

  8. Unterzeichnung Regierungsabkommen

    Gesetz tritt in Kraft

    Am 2. August 2000 wurde mit Unterstützung aller Bundestagsfraktionen das Gesetz zur Gründung der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft verabschiedet. Stiftungszweck war die Auszahlung von Leistungen an ehemalige Zwangsarbeiter:innen sowie an andere Opfer nationalsozialistischen Unrechts.

     

  9. Vermögen

    Das Vermögen der Stiftung wurde von der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft und der Bundesregierung zur Verfügung gestellt. Insgesamt beteiligten sich rund 6.500 Firmen und Privatpersonen an der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft.

  10. Partnerorganisationen

    Am 13. Juni 2001 leistete die Stiftung EVZ die erste Zahlung an den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds in Höhe von 55.612.425 DM. Sieben internationale Partnerorganisationen bearbeiteten die Anträge. Die Organisationen waren auch für die Auszahlungen verantwortlich.

  11. Humanitäre Projekte

    Im September 2001 bewilligte die Stiftung EVZ das erste Förderprojekt in ihrer Geschichte: der Verein AMCHA erhielt 414.138 € für humanitäre Zwecke. Damit wurden Holocaust-Überlebende in Israel durch Hausbesuche von Psycholog:innen und Sozialarbeiter:innen unterstützt.

  12. Anträge und Zahlungen

    Insgesamt erhielten 1,66 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter:innen bzw. ihre Rechtsnachfolger:innen in 98 Ländern 4,4 Milliarden Euro. Leistungen gab es bis 2007 u.a. für Vermögensschäden, Versicherungsschäden und sogenannte „besondere Personenschäden“ in Zusammenhang mit NS-Unrecht.

  13. Abschluss der Zahlungen

    Am 12. Juni 2007 wurde das Auszahlungsverfahren mit einem offiziellen Festakt des Bundespräsidenten Horst Köhler im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgeschlossen. Zugleich wurde der Abschlussbericht über die Zahlungen vorgestellt. Über zwei Millionen Anträge wurden bis Ende 2006 gestellt.

  14. Archiv Zwangsarbeit

    Nach Ende der Zahlungen stand die Aufarbeitung der NS-Zwangsarbeit im Mittelpunkt. Das Archiv Zwangsarbeit 1939-1945 bewahrt die Erinnerungen der Zeitzeug:innen anhand von über 600 Video- und Audiointerviews.

  15. Im Januar 2013 wurde die Ausstellung im Königsschloss Warschau unter Anwesenheit ehemaliger polnischer Zwangsarbeiter:innen eröffnet

    Ausstellung NS-Zwangsarbeit

    Von 2010 bis 2017 tourte die internationale Wanderausstellung „Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“ der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora. Die EVZ förderte sie mit vier Millionen Euro. Seit 2024 ist sie im Museum NS-Zwangsarbeit in Weimar zu sehen.

  16. 10 Jahre Stiftung EVZ

    Im Jahr 2010 feierte die Stiftung EVZ ihr zehnjähriges Bestehen. Das Jubiläum wurde von Feierlichkeiten und einer Ausstellung zur Stiftungsgeschichte begleitet. 

  17. Präsentation der Publikation

    Gemeinsame Studie

    Im September 2015 erschien die Publikation des „Arbeitskreises zur Verbesserung der Bildungsbeteiligung und des Bildungserfolgs von Sinti und Roma“. Es ist die erste Studie, die gemeinsam mit Expert:innen aus Rom:nja- und Sinti:ze-Organisationen erarbeitet wurde. Ihren Empfehlungen folgt die EVZ.

  18. Grafik:Täter:innen, Opfer oder Helfer:innen?

    MEMO Studie

    Seit 2018 zeigt „MEMO Deutschland – Multidimensionaler Erinnerungsmonitor“ was, wie und wozu Bürger:innen in Deutschland historisch erinnern – und ist damit Zeugnis der Erinnerungskultur. Durchgeführt wird MEMO Deutschland vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung Bielefeld.

  19. Zukunftsagenda der Stiftung EVZ

    Strategische Neuaufstellung

    Im Rahmen der Zukunftsagenda wurden 2021 neue Formate entwickelt und etablierte angepasst. Ein Kernstück ist die vom BMF geförderte Bildungsagenda NS-Unrecht. Sie soll aktuellen Herausforderungen mit einer geschichtsbewussten, aktivierenden Vermittlung der Lehren aus der NS-Vergangenheit begegnen.

2021

Zahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter:innen

Das Vermögen der Stiftung in Höhe von 10,1 Milliarden DM (5,2 Milliarden Euro) wurde je zur Hälfte aus Mitteln der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft  und des Bundes zur Verfügung gestellt. Die von der Stiftung EVZ ausgezahlten Beträge gingen an Empfänger:innen in 98 Ländern der Welt.

Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen

Die Auszahlungen erfolgten in Kooperation mit sieben internationalen Partnerorganisationen, die die Anträge bearbeiteten. Bis zum Jahr 2006 wurden annähernd 4,4 Milliarden EUR an 1.665.000 ehemalige Zwangsarbeiter:innen sowie ca. 270 Millionen EUR an weitere Opfergruppen ausgezahlt.

Der Weg zur Stiftungsgründung

Im Deutschen Reich mussten zwischen 1939 und 1945 schätzungsweise über 13 Millionen Menschen Zwangsarbeit leisten; in den besetzten und kontrollierten Gebieten weitere 13 Millionen Menschen. Die Betroffenen mussten oft unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten, viele kamen beim Arbeitseinsatz zu Tode. 

Nach der Befreiung litten viele Zwangsarbeiter:innen unter körperlichen und seelischen Folgeschäden der Zwangsarbeit. Individuelle Entschädigungsansprüche oder Lohnnachzahlungen wurden verweigert. Die deutschen Regierungen und die von der Zwangsarbeit profitierenden kleineren und großen Unternehmen, Kirchen und Privathaushalte lehnten – von wenigen Ausnahmen abgesehen – jede Verantwortung ab. Das 1953 in Kraft getretene Bundesentschädigungsgesetz schloss im Ausland lebende sowie nicht rassistisch oder politisch Verfolgte weitgehend von Leistungen aus.

Erste staatliche Abkommen

Im Londoner Schuldenabkommen von 1953 wurde die Regelung individueller Forderungen ausländischer Staatsbürger mit dem Abschluss eines Friedensvertrags verknüpft und somit individuelle Entschädigungen ausgeschlossen. Zur Beförderung der Westintegration leistete die BRD Zahlungen an einzelne Staaten in Form sogenannter Globalabkommen – aber keine individuellen Entschädigungen an ehemalige Zwangsarbeiter:innen. Die Bundesrepublik zahlte 1952 an Israel 3,5 Milliarden DM als materielle Aufbauhilfe sowie zwischen 1959 und 1964 an mehrere westeuropäische Staaten insgesamt 900 Millionen DM. In dieser Phase leisteten auch mehrere Großunternehmen erste Entschädigungszahlungen an die Jewish Claims Conference.

Der Wollheim-Prozess

Dies passierte nach den ersten erfolgreichen Prozessen, wie etwa dem sogenannten Wollheim-Prozess. Die Schadensersatzklage des ehemaligen Zwangsarbeiters Norbert Wollheim gilt als Musterfall und erste Klage eines ehemaligen Zwangsarbeiters. Im Zuge des Prozesses einigten sich die IG Farben, der Kläger und die Jewish Claims Conference auf eine Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter:innen (jüdischen wie nicht jüdischen Glaubens) in Höhe von 30 Millionen DM.

Repressionen hinter dem Eisernen Vorhang

Viele der Opfer konnten sich aus mehreren Gründen kein Gehör verschaffen: ein Großteil lebte bis Ende der 1980er Jahre in den Ostblockstaaten hinter dem sogenannten Eisernen Vorhang weitgehend abgeschirmt von den westlichen Staaten. Auch galten in der Sowjetunion ehemalige Zwangsarbeiter:innen nicht als Opfer, sondern lange Zeit als Kollaborateure. Aus Angst vor (staatlichen) Repressionen schwiegen daher die meisten von Ihnen.  Hinzu kam, dass viele durch das Erlebte traumatisiert und somit nicht in der Lage waren darüber zu sprechen. 

Deutsche Wiedervereinigung und Globalabkommen

Die DDR lehnte aufgrund ihres Selbstverständnisses als antifaschistische Neugründung jegliche Entschädigung für ausländische Opfer der NS-Verfolgung ab. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 folgten im Zuge des 2+4-Vertrages noch einmal Globalabkommen mit Polen (500 Millionen DM) sowie mit Belarus, der Ukraine und Russland (zusammen eine Milliarde DM). Russland und Belarus hatten dabei auch die NS-Opfer in den inzwischen souveränen baltischen Staaten zu berücksichtigen. Mit diesen Zahlungen sahen die deutsche Regierung und Wirtschaft ihre Verantwortlichkeit damals als erfüllt an.

Späte Anerkennung

Erst Ende des 20. Jahrhunderts beschäftigte die Entschädigung der Zwangsarbeiter:innen wieder die nationale und internationale Öffentlichkeit. Erste politische Initiativen etwa von Bündnis90/Die Grünen, des Europa-Parlaments oder von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste blieben zunächst folgenlos. Fortdauernder Druck in und aus den USA brachte Ende der 1990er Jahre weitere Bewegung in die Diskussion. 1998 einigten sich die Fraktionen des Bundestags darauf, eine Stiftung zur Entschädigung von Zwangsarbeit unter finanzieller Beteiligung der deutschen Wirtschaft einzurichten.

Stiftungsgründung

Am 17. Juli 2000 wurde ein Regierungsabkommen zwischen Deutschland und den USA unterzeichnet, das Rechtssicherheit herstellte und deutsche Unternehmen vor Sammelklagen in den USA schützte. Die USA, Deutschland und sechs weitere Staaten sowie Opferverbände und Anwält:innen unterzeichneten eine gemeinsame Abschlusserklärung zur Gründung der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, die alleinige Ansprechpartnerin für alle Ansprüche wurde. Am 13. Juni 2001 wurde die erste Zahlung an die tschechische Partnerorganisation (Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds) geleistet. Im Laufe des Juni 2001 wurden weitere Zahlungen nach Polen, Belarus, Russland, in die Ukraine, an die Jewish Claims Conference und die Internationale Organisation für Migration auf den Weg gebracht.  Zwischen 2001 und 2007 wurden an 1,66 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter:innen und Rechtsnachfolger 4,4 Milliarden Euro ausgezahlt. 

20 Jahre Stiftung EVZ

Im Jahr 2020 feierte die Stiftung EVZ ihr 20-jähriges Bestehen. Ihre Gründung markierte einen Wendepunkt in unserer Erinnerungskultur – Staat, Wirtschaft und Gesellschaft übernahmen politische und moralische Verantwortung für das Leid der Zwangsarbeiter:innen des nationalsozialistischen Unrechtsregimes. Die Arbeit der Stiftung EVZ trägt die Verantwortung für das Leid der Millionen Zwangsarbeiter:innen nicht nur weiter im Namen sondern auch in ihrer Zukunftsagenda.

Sie haben Fragen zur Entstehungsgeschichte? 

Videogruß von Angela Merkel zum Jubiläum (Kopie 1)

Zahlen zu 20 Jahren Stiftungsgeschichte

  • 5.668

    Projekte hat die Stiftung EVZ in ihren ersten 20 Jahren gefördert

  • 157.134.342,06 Euro

    betrug das Gesamtfördervolumen im Jahr 2020

  • 2.187

    Zahl der Partnerorganisationen in 20 Jahren Stiftungsgeschichte

Publikation

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Martin Bock

Referent des Vorstands

Tel.: +49 (0)30 25 92 97-48
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Katrin Kowark

Leitung Kommunikation

Tel.: +49 (0)30 25 92 97-24
E-Mail: kowark@stiftung-evz.de