Drei Fragen an... Anne Kauhanen

Anne Kauhanen, Kulturproduzentin & Leiterin vom Projekt „Was bleibt? Interaktive Installation zu west- und ostdeutschen Nachkriegserinnerungen“ von Moves

 

Frau Kauhanen, Ihr Projekt verweist auf Kontinuitäten und Brüche von west- und ostdeutschen Nachkriegserinnerungen. Wie sind Sie bei den Familieninterviews vorgegangen?

Wir haben uns vertiefend mit NS-Verbrechen und deren Auswirkungen auf das Familiengedächtnis in Ost- und Westdeutschland auseinandergesetzt. Es ging um die kritische Reflexion der wörtlich und symbolisch verstandenen geteilten deutschen Geschichte. Dabei waren und sind wir von der Frage geleitet, wie sich dies insbesondere für junge Menschen in einer postmigrantischen Gesellschaft ansprechend, inklusiv und würdevoll aufarbeiten lässt. Das impliziert natürlich auch eine Bestandsaufnahme aktueller Debatten um die sog. deutsche Erinnerungskultur. Fragen, die sich nach den Ereignissen rund um den 7. Oktober noch mal neu stellen. Wir haben in unserem divers aufgestellten Team gemeinsam einen Leitfaden für biografische Interviews entwickelt. Durch verschiedene Berührungspunkte zur NS-Zeit  konnten wir dabei unterschiedliche Perspektiven berücksichtigen. Allerdings fehlen weitestgehend persönliche Bezüge zur DDR-Geschichte, sodass eine induktive Vorgehensweise maßgeblich für unser aussagekräftiges Material war bzw. ist. 

Wir führten Interviews mit bis zu drei Generationen einer Familie durch. Für jede Generation gibt es einen eigenen Leitfaden, der Brücken zwischen den Generationen baut. Zugang zu unseren Interviewpartner:innen haben wir durch berufliche und persönliche Netzwerke bekommen. Außerdem haben wir sowohl digitale als auch analoge Werbemöglichkeiten genutzt. Aus den geführten Interviews haben wir eine Fülle an Audio- und punktuell auch Videomaterial gewinnen können.

Am 7. November wird die Installation Ihres Projektes mit multiperspektiven Erzählweisen zu den Nachkriegserinnerungen in Bremen eröffnet. Was erwartet die Besucher:innen und inwiefern binden Sie die Perspektive von Jugendlichen mit ein?

Die Besucher:innen erwartet eine medial aufbereitete Sammlung von Familiengeschichten über mehrere Generationen und mit unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkünfte zum Thema NS-Unrecht. Es gibt inhaltliche Schwerpunkte, wie beispielsweise (Familien-)Erinnerungen an das Ende des 2. Weltkrieges. Mehrgenerationale Geschichten werden verwoben mit geschichtlichen Exkursen in leichter Sprache. In einem mit Leinwänden, Projektionen und Schaukästen bespielten Raum können die Besucher:innen durch ERINNERUNGSRÄUME laufen und Anknüpfungspunkte finden zur eigenen Lebenswelt. Am Ende der Ausstellung gibt es eine Besucher:innen-Galerie, in der diese ihre Gedanken mitteilen können. Unser Projekt ist sowohl inhaltlich als auch durch (familien-)biografische Bezüge von Interviewpartner:innen und Mitarbeiter:innen mit den aktuellen Ereignissen um den 07. Oktober verbunden. Zunächst einmal startet eine Social Media Kampagne, die von Schüler:innen mitgestaltet wird. Mit Ausstellungseröffnung startet außerdem eine Projektwoche mit 200 Schüler:innen, die zu unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten der Ausstellung künstlerisch arbeiten. 

Wie stellen Sie sicher, dass die Ergebnisse Ihres Projektes langfristig sichtbar bleiben? 

Wir möchten besonders Jugendliche erreichen, die sonst nicht zwangsläufig mit NS-Unrecht und aktuellen Bezügen in Berührung kommen. Wir haben beispielsweise konkrete Ideen, wie ein Teil der Ausstellung von Schulen gebucht werden kann und dass unser pädagogisches Personal diskriminierungssensible Projekttage anbietet. Eine weitere damit verbundene Idee ist, aus „Was bleibt?“ eine Wanderausstellung zu konzipieren. Am Tag der Eröffnung geht außerdem unsere Scrollytelling-Webseite online, die eine bundesweite Zugänglichkeit von unserem Material gewährleistet. 

Zur Listenansicht