Fragile Verbindungen

Ein modulares Theater-, Performance- und Videofilm-Projekt von und mit divers besetzten Jugendensembles zu Opfern und Orten von erzwungener Migration in Frankfurt am Main mit den Schwerpunkten Kindertransporte aus Frankfurt am Main und Zwangsarbeiter:innen in Frankfurt am Main.

Gemeinsamer künstlerischer Ausdruck für eine vielfältige Stadtgesellschaft

Frankfurt zeichnet sich durch eine vielfältige migrantische Stadtgesellschaft aus. Eine aktivierende Erinnerung an das NS-Unrecht sollte in der Migrationsgesellschaft – Michael Rothberg folgend – nicht ‚die eine Geschichte‘ vermitteln, sondern einen Dialog über die Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus führen. Fragile Verbindungen will die geschichtsbewusste Teilhabe Jugendlicher mit höchst diversen Bildungshintergründen, Migrationsgeschichten oder Einschränkungen an der demokratischen Gestaltung der Migrationsgesellschaft durch multiperspektivischen gemeinsamen künstlerischen Ausdruck fördern. 

Jugendliche der Frankfurter Migrationsgesellschaft erforschten in Sonderausstellungen und neu gestalteten Gedenkorten die Bedeutsamkeit der Erinnerung von Emigrationsschicksalen unbegleiteter Kinder und Jugendlicher aus der nationalsozialistischen Diktatur und von der Situation nach Frankfurt verschleppter Zwangsarbeiter:innen für die Gegenwart. Den thematischen Bogen bildeten Aspekte erzwungener Migration, Fremdheit und Ankommen im Exil, Teilhabe, Zugehörigkeit und Heimat.

Das Junge Schauspiel Frankfurt

Das Junge Schauspiel Frankfurt erarbeitet seit zehn Jahren Theater- und Performanceprojekte mit inklusiven Jugendensembles zu Zivilcourage, Rassismus, Antisemitismus, Flucht und Migration für den Abendspielplan, die zu nationalen Festivals eingeladen werden. Grundlage der Arbeit ist eine besondere Methodik sinnlich-emotionaler, ganzheitlicher Aneignung der Inhalte, intersubjektiver Erfahrung, der Gestaltung von Referenzrahmen und einer gemeinsamen künstlerischen Umsetzung. 

Die Module

Am Leben bleiben – In sechs Biografien widmete sich die Ausstellung „Kinderemigration aus Frankfurt“ des Deutschen Exilarchivs 1933-1945 in der Deutschen Nationalbibliothek dem Thema der Kindertransporte aus Frankfurt während der NS-Zeit. Ein inklusives und höchst diverses Jugendensemble schlug in diesem reichen Erinnerungsraum mit performativen Mitteln den Bogen in die Gegenwart.

Erinnern verändern – Für das Stadtlabor „Spurensuche im Heute“ des Historischen Museums untersuchte eine heterogene Gruppe von Frankfurter:innen in einem partizipativen Prozess Orte, Dinge oder Ereignisse, die sie persönlich an die NS-Zeit erinnern, und gestaltete daraus eine Ausstellung. Das Junge Schauspiel erschloss sich mit einer diversen Gruppe Jugendlicher  diese Ausstellung und entwickelte eine Performance mit eigenen Blickwinkeln.

Unter uns. Unsichtbar? – Im Nationalsozialistischen mussten in Frankfurt am Main mehr als 50.000 Menschen in der Rüstungsindustrie, der Landwirtschaft und vielen anderen Produktionsstätten oft unter extremen Bedingungen Zwangsarbeit leisten. Sie waren nach rassistischen Kriterien einem streng hierarchischen System untergeordnet. Die extremste Form dieser Ausbeutung traf die Häftlinge des KZ-Außenlagers Katzbach in den Adlerwerken im Stadtteil Gallus.
Der Geschichtsort Adlerwerke dokumentiert die Geschichte und Nachgeschichte des Verbrechens. Für ein diverses Jugendensemble wurde er zum Ausgangspunkt einer Suche nach Gefühlserbschaften dieser Zeit, rassistisch begründete Privilegien und Machtstrukturen, die die deutsche Gegenwart prägen. In einer bilderreichen und bewegungsintensiven Performance spürten zehn Jugendliche den Dilemmata zwischen Hilfeleistungen, Ignoranz, Denunziation und Vorteilsnahme nach.

Jugendtheaterstück – Ausgehend von Recherchematerial, Zeitzeugenberichten und Gerichtsakten schlägt Tina Müllers Jugendtheaterstück „Made in Grmny“ einen Bogen von staatlich verordneter Zwangsarbeit über die Lage der „Gastarbeiter:innen“ zur Zeit des Wirtschaftswunders hin zur Situation heutiger Arbeitsmigrant:innen und zu eigenen Erlebnissen der Spieler:innen: Warum ist Arbeit wertvoller als die, die sie leisten? Wer hat damals profitiert, und wie setzen sich Privilegien und Ausbeutung bis heute fort?

Begleitendes Bildungsprogramm

In bewährter Kooperation mit der Bildungsstätte Anne Frank entstand zu allen künstlerischen Modulen ein Begleitprogramm mit Workshop-Angeboten und Materialien für Schulen, Pädagoginnen und Multiplikator:innen. 

Datenblatt

Projektpartner:innen:

Bildungsstätte Anne Frank
Historisches Museum Frankfurt
Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–1945
Deutsches Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek

Laufzeit: September 2021 bis Dezember 2022

schauspielfrankfurt.de

Mehr zum Projekt

Bildungsagenda NS-Unrecht

Das Magazin der Bildungsagenda NS-UnrechtDas Magazin der Bildungsagenda NS-Unrecht

Die Bildungsagenda NS-Unrecht startete im Herbst 2021 mit zwei Gewissheiten: Erstens, die Generation der Überlebenden geht leider von uns. Damit können immer seltener Zeitzeug:innen von den Gräueltaten der Nationalsozialisten berichten. Zudem bewegen wir uns zunehmend, und das ist die zweite Gewissheit, in Kontexten, in denen die Grenzen zwischen Fiktion und Fakt verwischen. Unter diesen Bedingungen sind die Auseinandersetzung mit NS-Unrecht und die historisch-politische Bildungsarbeit auf neue Lernwege und innovative Vermittlungsformen angewiesen. Im Magazin der Bildungsagenda NS-Unrecht stellen wir das Förderprogramm, Projekte und aktuelle Debatten vor.