Präsident der Fundación Teatro Joven für das Projekt „Resistance & Collaboration: Landscapes of Devastation”

Herr Rodríguez Peralto, warum ist der transnationale Austausch so wichtig, wenn es um NS-Unrecht und Erinnerungskultur geht?

Wir halten den transnationalen Austausch in einem äußerst vielfältigen Europa mit sehr heterogenen Gesellschaften für unverzichtbar, um auf der Grundlage eines gemeinsamen Verantwortungsgefühls Gegenwart und Zukunft insbesondere für die jüngeren Generationen zu gestalten. 

Mithilfe des Theaters fördern wir die transnationale Erinnerungsarbeit und setzen uns mit weniger bekannten Verfolgungsschicksalen auseinander, die sich aus konkreten Formen des Widerstands und der Kollaboration in Griechenland, Spanien und der Ukraine ergeben haben. Wir betrachten unsere Traditionen des Erinnerns aus unterschiedlichen Blickwinkeln und schaffen mit Mitteln der künstlerischen Bildung eine gemeinsam erfahrbare europäische Erinnerungsarbeit.
 
Das Projekt setzt sich für eine zusammenwachsende europäische Zivilgesellschaft ein und stellt mit den Mitteln der künstlerischen Bildung eine gemeinsam erlebbare europäische Erinnerungsarbeit in Aussicht. Alle drei Vorhaben verstehen sich als unbequeme Eingriffe in festgefahrene (nationale) Erinnerungskulturen.

Der Begriff „Widerstand“ ist ein mit Bedeutungen aufgeladenes Wort. Was bedeutet er im Zusammenhang mit dem Projekt des Teatro Joven?

Zum einen geht es um den Widerstand gegen die deutsche Besatzung in Griechenland und der Ukraine und die Rolle der Internationalen Brigaden. Welches Leid wurde durch das Bündnis der faschistischen Kräfte in Europa verursacht? Zum anderen soll die Fähigkeit zum kritischen Umgang mit gewaltsamen Kontinuitäten gestärkt werden. 

Die liberalen Internationalen Brigaden kämpften zusammen mit der legitimen, demokratischen Regierung Spaniens gegen die spanischen Faschisten, die durch deutsche und italienische faschistische Truppen unterstützt wurden. Spanische Republikaner:innen wurden nach Dachau und Mauthausen deportiert, was eine weitere Verbindung zwischen dem NS-Unrecht und dem Spanischen Bürgerkrieg aufzeigt. 

Wir befassen uns insbesondere mit dem Widerstand der Partisan:innen gegen die deutsche Besatzung in Nordgriechenland, der seine Fortsetzung im Widerstand gegen die spätere Militärjunta findet. Was geschah mit denen, die sich der faschistischen Gewalt widersetzten? Wir haben uns für die Perspektive „Widerstand und Kollaboration“ entschieden, um die Erinnerungstraditionen in Spanien, Deutschland, Griechenland und der Ukraine kritisch zu hinterfragen.

Wie hängen die drei Theaterstücke mit den Regisseur:innen Prodromos Tsinikoris (Griechenland), Stas Zhyrkov (Ukraine/Deutschland) und José Luis Arellano García (Spanien) miteinander zusammen?

Die drei Theaterstücke sind inhaltlich und ästhetisch verwandt, haben aber auch Gemeinsamkeiten in der Entwicklung von Methoden im Hinblick auf die Förderung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Auch wenn die drei Uraufführungen unterschiedliche künstlerische Strategien verfolgen und unterschiedliche Formsprachen verwenden, ermöglicht der künstlerische Koordinator des Projekts, Martín Valdés-Stauber, einen stetigen Austausch. Er ist auch das natürliche Bindeglied für die drei Regisseur:innen, denn er hat die beteiligten Künstler:innen ausgewählt und die Projekte und deren Inhalte konzipiert.

Im vergangenen September verbrachten die drei Regisseur:innen zusammen mit den Mitgliedern ihrer Künstlergruppen und dem spanischen Leitungsteam drei Tage in einem Landhaus in der spanischen Region Navarra. Sie tauschten sich über die drei Stücke, digitale Inhalte und ein umfangreiches schulisches Begleitprogramm aus, um gemeinsam einen europäischen Erinnerungsraum zu erschließen. Dieses Erlebnis hat alle unsere Erwartungen übertroffen.