Polizei und Justiz spielen nicht nur beim Schutz jüdischen Lebens eine entscheidende Rolle, sondern auch bei der Verfolgung und Aufklärung von antisemitisch motivierten Straftaten. Werden die Strafverfolgungsbehörden ihrer Aufgabe gerecht?
Es gibt extreme Unterschiede. Am einen Ende stehen Staatsanwaltschaften wie die in Braunschweig, die erst nach Weisung im dritten Anlauf ermittelt. Am anderen Ende gibt es Staatsanwaltschaften wie in Berlin, mit einer spezialisierten Abteilung, Leitfäden, Weiterbildungen, institutionalisiertem Austausch mit Betroffenen, beharrlicher Verfolgung des Missbrauchs des Gelben Sterns, jährlicher Tagung zu Antisemitismus usw. Und dazwischen ist ein weites Feld. Strafgerichte sehen sich nochmal ganz anderen Herausforderungen gegenüber.
Erkenntnisse aus der Antisemitismusforschung kommen kaum in der beruflichen Bildung von Polizei und Justiz an: Wie kann uns ein besserer Transfer gelingen?
Das kann nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit gelingen. Antisemitismusforscher:innen, Expert:innen aus den Gedenkstätten und Bildungseinrichtungen und Jurist:innen müssen sich zusammentun und gemeinsam gute Angebote machen. Es ist wichtig, dass die Sprache der Jurisprudenz gesprochen wird, aber dabei die Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Forschung und der praktischen Bildungsarbeit transportiert werden.
Aus Ihren bisherigen Erkenntnissen im Forschungsprojekt „Antisemitismus als justizielle Herausforderung“ (ASJust): Gibt es ein ausreichendes Angebot an Weiterbildungen für Richter:innen zur Antisemitismus-Sensibilisierung?
Hierzu hat unsere Kollegin Katharina Zachrau ein Working Paper geschrieben, das bald veröffentlicht wird. Es gibt viele verschiedene Angebote in Deutschland, das ist gut. Aber es werden nicht alle Erscheinungsformen von Antisemitismus behandelt und oft geht es nur um Strafrecht, obwohl es viel mehr Recht gegen Antisemitismus gibt. Außerdem kommen nur hoch motivierte Richter:innen zu den Weiterbildungen, weil Antisemitismus äußerst selten in der Gerichtspraxis vorkommt – was aber auch an Barrieren des Rechtszugangs liegt. Insgesamt braucht es noch mehr und diversere Angebote als bisher.