YeMistechko - ein Ort für alle

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat enorme Auswirkungen auf die ukrainische Gesellschaft. Die Zerstörung von Archiven, Bibliotheken und Museen zielt darauf ab, die ukrainische Kultur und ihre identitätsstiftende Kraft zu schwächen und das historische Gedächtnis der ukrainischen Nation auszulöschen. In unserem Förderprogramm YeMistechko unterstützen wir Museen, Bibliotheken und andere Kultureinrichtungen, die sich als identitätsstiftende Orte verstehen, das Leben in ihren Gemeinden gestalten und Menschen mobilisieren wollen.

In Museen, Bibliotheken, Kulturhäusern und anderen geeigneten Orten entstehen lebendige Begegnungsorte  – gemeinsam mit der lokalen Community, der Verwaltung und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Besonders begrüßt werden Projekte, die sich um die Belange der Überlebenden der NS-Verfolgung einsetzen, Minderheiten einbinden aber auch die Bedarfe von Rückkehrer:innen und Binnenflüchtlingen beachten.

Was sind "Dritte Orte"?

Das Konzept der "Dritten Orte" hat seine Wurzeln in den Ideen des Soziologen Ray Oldenburg, der es erstmals in den 1980er Jahren in seinem Buch "The Great Good Place" präsentierte. Oldenburg definierte die "Dritten Orte" als Orte, die nach dem häuslichen Umfeld (erster Ort) und dem Arbeitsplatz (zweiter Ort) für Menschen am wichtigsten sind. Mit anderen Worten sind "Dritte Orte" soziale Treffpunkte, an denen Menschen zusammenkommen, um sich auszutauschen, zu arbeiten, zu lernen, neue Ideen oder niedrigschwellige Angebote gemeinsam zu entwickeln und umzusetzen oder einfach nur Zeit miteinander zu verbringen. 

Warum sind sie wichtig? 

Diese Orte fördern soziale Interaktion, Kreativität und Gemeinschaftsgefühl. Sie bieten einen Raum, in dem Menschen unterschiedlicher Hintergründe und Interessen zusammenkommen können und tragen dazu bei, die soziale Bindung zu stärken. Sie unterstützen das Gefühl der Zugehörigkeit sowie (Re-)Integration der Menschen in die Gesellschaft. Dritte Orte können sich positiv auf die Demokratie und die Entwicklung der Partizipation auswirken, d.h. auf die aktive Beteiligung der Bürger:innen am öffentlichen Leben. 

Es gibt eine Vielzahl von Aktivitäten und Möglichkeiten, die in Dritten Orten angeboten werden können, abhängig von den Interessen der Gemeinschaft und den verfügbaren Ressourcen: 

•    Gemeinsame Diskussionsrunden und Debatten

•    Kulturelle und historische Veranstaltungen (Ausstellungen, Filmabende, Konzerte, Literaturveranstaltungen) 

•    Handwerks- und Kunstworkshops oder Spieletreffs

•    Sprachtandem und Fremdsprachenkurse

•    Gemeinschaftsgärten und Umweltprojekte

•    Gesundheits- und Fitnesstrainings

•    Gemeinsames Kochen und Kochshows

•    Nutzung von digitalen Geräten und Ressourcen

Aber wichtig ist letztendlich was die Community braucht.

Was ist das Anliegen der Stiftung EVZ?

Mit dem neuen Förderprogramm YeMistechko – ein Ort für alle! möchte die Stiftung EVZ bereits etablierten Orten des Lernens und der Kultur helfen, sich zu Dritten Orten weiterzuentwickeln. Museen, Bibliotheken, Theater, Archive und Kulturhäuser werden dazu ermutigt, sich aktiver für ihre Gemeinschaft vor Ort zu engagieren. Die Zielgruppe des Programms umfasst alle Anwohner:innen, auch diejenigen, die Ausgrenzung erfahren bzw. durch den Ausschluss aus dem Gemeinschaftsleben bedroht sind. Dazu zählen z.B. alte Menschen, insbesondere Überlebende der NS-Verfolgungen, Angehörige der Minderheiten (Rom:nja, Krimtataren, LGBTIQ-Personen), Binnenvertriebene, Rückkehrer:innen aus dem Ausland und Kriegsveteran:innen. In der Ukraine, wo wegen der Kriegszerstörungen und -handlungen der erste und zweite Ort (Zuhause und Arbeit) oft nicht zugänglich sind, können die neuen gesellschaftlichen Räume zu einer gemeinsamen Gestaltung des Zusammenlebens beitragen und auf die aktuellen Bedarfe reagieren. Außerdem will die Stiftung die Arbeit ukrainischer Kultureinrichtungen unterstützen, die für die nationale Identität der Ukrainer zentral und deshalb den russischen Angriffen ausgesetzt sind. 

Gibt es bereits gut funktionierende Dritte Orte?

Die Deichman-Bibliothek in Oslo, Norwegen, ist die bekannteste Kultureinrichtung, die das Konzept des Dritten Orts adaptiert hat. Einige Institutionen spezialisieren sich auf ein bestimmtes Themenfeld und entwickeln sich dadurch zu Dritten Orten. Wie beispielsweise ARTandTECH.space in Rhein, Deutschland. Aber auch in der Ukraine gibt es solche Einrichtungen, zum Beispiel das PinchukArtCentre (ukr. ПінчукАртЦентр) oder das America House Kyiv
Wie ein „Dritter Ort“ am Ende aussieht, bestimmen immer die konkreten Bedarfe vor Ort. Daher sollten unbedingt Meinungen aus der lokalen Gemeinschaft eingeholt werden, um gemeinsam einen besseren Ort für Zusammenleben und Aufenthalt gestalten zu können.

Ansprechpersonen

Evelyn Scheer

Leitung Team Handeln

Tel.: +49 (0)30 25 92 97-65
E-Mail: scheer@stiftung-evz.de

Daria Yemtsova

Projektkoordination

Tel.: +49 (0)30 25 92 97-83
E-Mail: yemtsova@stiftung-evz.de