Auf diesem Themenkanal teilen wir zukünftig Interviews, Debatten und Berichte, die sich mit Aspekten und Diskursen der Holocaust Education beschäftigen
Erez Kaganovitz fotografiert Holocaust-Überlebende und zeigt die Fotos auf Instagram und in Ausstellungen. Wir haben mit ihm über sein Projekt „Humans of the Holocaust“ und seinen Blick auf Holocaust Education gesprochen.
„Es ist kein klassisches Holocaust Education Projekt. Es ist etwas anderes, etwas neues. Etwas, das darauf abzielt eine bessere Verbindung zwischen Millennials etc. und Holocaust Education zu schaffen”, erklärt Erez Kaganovitz. Sein Ziel: Holocaust Education interessant gestalten - und zwar so, dass junge Menschen sich damit beschäftigen wollen. Nachdem der Enkel eines Überlebenden 2019 auf eine Studie der Jewish Claims Conference stieß - die erhebliche Wissenslücken bei amerikanischen Millennials in Bezug auf den Holocaust feststellte - nahm sein Fotoprojekt Gestalt an. Seitdem fotografiert er Holocaust-Überlebende und teilt ihre Geschichten in Ausstellungen und auf Instagram.
Das Wichtigste beim Fotografieren sei es, eine Form von Intimität zu erzeugen. Die Person müsse sich wohl fühlen. Diese Intimität ergibt sich zum Teil schon durch den Ort: Die Shootings finden meist bei den Überlebenden zuhause statt, ihre Mobilität ist oft eingeschränkt. Gleichzeitig möchte Kaganovitz die Fotos so spannend inszenieren, dass „(…) sie Menschen vom Weiterscrollen durch den Feed abhalten“. Die Fotos sollen ein Beitrag zur Holocaust Education sein, abseits von Museumsbesuchen und schwarz-weiß -Bildern. Einer, der Gespräche und Reaktionen provoziert. Deshalb macht Kaganovitz keine „klassischen“ Portraits, sondern integriert persönliche Geschichten und Eigenschaften der Überlebenden, Symbole oder Gegenstände. Er möchte eine Verbindung zwischen den Geschichten und Fotos herstellen.
So zum Beispiel bei Dugo Leitner (siehe Foto), der auf dem Foto einen großen Ballon in Form eines gelben sogenannten Judensterns umarmt. „Als wir das erste Mal sprachen, erzählte er mir, das Einzige, was ihn während seiner Zeit in Auschwitz weitermachen ließ, war sein Sinn für Humor. So wurde uns beiden klar, dass sein Bild etwas anderes sein muss, etwas, das seine Botschaft tatsächlich wiedergibt“. Sein Humor und Optimismus dürfe sich auch im Foto zeigen. Wenige Wochen vor dem Interview mit Kaganovitz verstarb Dugo Leitner im Alter von 93 Jahren.
Auch das Portrait von Mihail Sidko, einem Überlebenden von Babyn Jar, stellt einen Zusammenhang zu seiner Geschichte her. Es zeigt ihn inmitten von Patronenhülsen. Mihail Sidko habe ihn über den „Holocaust by Bullets“ aufgeklärt und sofort stand für ihn fest, dass dies im Portrait verarbeitet werden müsse.
Die Bilder stehen aber nicht für sich: Unter den Instagram-Posts oder über einen QR-Code in der Ausstellung erzählt Kaganovitz die Geschichten der Holocaust-Überlebenden. „Was ich versuche ist, eine Art Einladung für die jungen Menschen zu schaffen, sich dem anzunähern und zu widmen und sie dann später die Punkte selbst verbinden zu lassen. Sie können sich durch die Links klicken, sie können.
Eltern und Lehrer:innen fragen. „Die Idee ist, sie an den Tisch zu bringen!“ Es sei dabei wichtig, „ihre” Sprache zu sprechen. „Social Media hat uns viel Macht gegeben und wir müssen sie nutzen, um Menschen auf der ganzen Welt zu erreichen!”
Er erzählt, die Bilder würden Emotionen auslösen, es gäbe kein richtig und falsch: „Und ich denke, weil ich nicht versuche, meine eigenen Ideen aufzuzwingen, fühlen sich die Leute wohl dabei ihre Gedanken mitzuteilen. Und ich denke, weil die Bilder interessant sind, sind sie Auslöser, um über Demokratie zu sprechen, über Menschenrechte, über die Erinnerung an den Holocaust, über aktuelle Themen.“
Kaganovitz möchte mindestens 100 Portraits erstellen und Geschichten erzählen. Am Ende soll ein Buch entstehen. Bis Mitte August waren seine Bilder im Max Mannheimer Haus in Dachau ausgestellt. Sie sollen nun weiter an verschiedenen Orten in Bayern gezeigt werden. Jederzeit sind die Fotos auf dem Instagramkanal @humansoftheholocaust oder auf der Webiste zu sehen. Dort kann auch mehr zu den Geschichten von Dugo Leitner und Mihail Sidko nachgelesen werden.
*Das Interview wurde auf Englisch geführt. Die Übersetzung stammt von der Autorin.