In der Regel wissen wir ja wenig über die Geschichte anderer europäischer Länder, und das gilt auch für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, obwohl es diesen in ganz Europa gab. In Westeuropa wissen wir besonders wenig über den jugoslawischen Raum, dabei war der Widerstand dort gegen Faschismus und deutsche Besatzung besonders stark. Mit unserem internationalen Team von Forscher:innen insbesondere aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Deutschland und Frankreich ging es uns darum, mehr über den Widerstand im Zweiten Weltkrieg und die Erinnerung daran nach 1945 in verschiedenen europäischen Ländern zu erfahren. Aus dieser Arbeit entstanden drei konkrete Ergebnisse: eine wissenschaftliche Publikation, eine digitale Plattform und eine Ausstellung im Historischen Museum von Bosnien und Herzegowina. Damit wollen wir dazu beitragen, das Wissen über Widerstand im eigenen und anderen Ländern zu vertiefen und die Neugierde für dieses Thema zu stimulieren. Auch hoffen wir, dass diese Ergebnisse zur Reflektion und Diskussion beitragen werden, welche Spezifitäten, Ähnlichkeiten und Verbindungslinien es beim Widerstand innerhalb Europas gab und wie man mit diesem Thema heute umgehen kann, zum Beispiel in Museen.
Ich denke der zweijährige Gesamtprozess war das Wichtigste und darin war jede Etappe ein kleiner Meilenstein: die beiden ersten Konferenzen, in Berlin und Nizza, die Workshops in Sarajevo, Nizza, Zagreb und Jasenovac – jedes Mal trafen wir uns mit unserem internationalen Team von Forscherinnen und Forschern, und es waren immer wieder neue Schritte in einem spannenden Prozess wechselseitigen Entdeckens und Lernens. Denn auch die Teilnehmenden in unserem Team kannten ja zunächst nur oder vor allem die Widerstandsgeschichte ihres eigenen Landes. Durch die Gespräche mit den anderen Teilnehmenden und die gemeinsame Arbeit, und auch durch die Erkundung von Gedenkstätten und Museen hat jeder von uns unheimlich viel gelernt. Am stärksten in Erinnerung bleibt mir unser erster Workshop, der in Sarajevo stattfand, im Historischen Museum von Bosnien und Herzegowina: Unsere Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und Frankreich waren zum ersten Mal in Sarajevo, und ich kann mich erinnern wie beeindruckt sie waren: Von dem was sie über den Widerstand in Jugoslawien während der deutschen Besatzung erfahren haben, und von der Arbeit und dem Engagement unserer Kolleginnen und Kollegen vor Ort, die in viel schwierigeren Rahmenbedingungen arbeiten als in Westeuropa.
Da gibt es verschiedene Antworten. Walter ist zum einen eine historische Figur: Vladimir Perić, der im Zweiten Weltkrieg in Sarajevo während der deutschen Besatzung den antifaschistischen Widerstand organisiert hat; Walter war sein Code-Name, wie ja viele Widerstandskämpfer sich Code-Namen zugelegt haben, um von den Nazis und den Kollaborateuren nicht identifiziert werden zu können. Walter ist auch ein legendärer Film-Charakter, dank des sehr erfolgreichen jugoslawischen Partisanenfilms „Walter verteidigt Sarajevo” aus dem Jahr 1972, wo Walter zum Symbol des Widerstands der gesamten Stadt Sarajevo wird; in der Schlussszene sagt ein deutscher Offizier „Ich weiß jetzt, wer Walter ist” und zeigt dann auf Sarajevo: „Sehen Sie diese Stadt? Das ist Walter.” Im ehemaligen Jugoslawien ist „Walter” fast allen ein Begriff, aber im restlichen Europa sieht das anders aus. In unserem Projekt ist Walter deswegen vor allem ein Symbol: Was wissen wir eigentlich über Walter – und wer waren die anderen Walters in Europa? Auch wenn Widerstand gegen das NS-Regime immer eine Angelegenheit einer Minderheit war, so gab es doch insgesamt viele Frauen und Männer, die in der einen oder anderen Weise Nein gesagt haben zur Ideologie und Politik des Nazi-Regimes und seiner Kollaborateure. Und es lohnt sich, mehr über sie herauszufinden, warum sie sich engagiert haben, welche Formen und Räume des Widerstands es gab, und was uns dieser Widerstand für heute zu sagen hat.