Angelik Ustymenko (they/them) war Stipendiat:in im Rahmen des von uns geförderten Vidnova Fellowship. Dieses unterstützt die Arbeit von geflüchteten Akteur:innen der ukrainischen Zivilgesellschaft finanziell und durch Mentoring. Das Projekt wurde von Commit by MitOst umgesetzt.
Woran arbeitest du gerade?
Der Schwerpunkt meiner Arbeit ist queerer Widerstand, Community Building sowie Kunst als kollektive Heilung und als Ausdruck von Trauer.
Um meine Community zu unterstützen und den queeren Widerstand inmitten des Krieges fortzusetzen, habe ich die Erfahrungen von queeren Menschen im Kontext des Krieges dokumentiert und die Filme „Ukrainian Queer Fighters for Freedom“ (2022) und „Queer Fighters of Ukraine“ (2023) veröffentlicht. Außerdem habe ich im Jahr 2023 „Before Curfew“, eine fiktive Geschichte einer queeren Liebesgeschichte in Kyjiw, geschrieben, inszeniert und per Crowdfunding finanziert. Der Film feierte auf dem „Sunny Bunny LGBTQIA+ Film Festival” Premiere.
Derzeit arbeite ich an meinem ersten Dokumentarfilm über die queere Gemeinschaft in der Ukraine. Der Film zeigt den russisch-ukrainischen Krieg, erzählt aus der Perspektive der ukrainischen Queer-Community, die von der Tanzfläche bis zur Front nie aufhört zu kämpfen.
Ich pendle zwischen Kyjiw und Köln und habe im Oktober ein Studium an der Kunsthochschule für Medien Köln begonnen. Gleichzeitig arbeite ich an meinem Projekt weiter.
Warum glaubst du, dass dieses Projekt gerade jetzt besonders wichtig ist?
Der Dokumentarfilm, an dem ich derzeit arbeite, befasst sich damit, wie wichtig es ist, queere Menschen als nicht-homogen zu betrachten. Dabei wird den Besonderheiten des ukrainischen postkolonialen Kontextes große Aufmerksamkeit geschenkt, um die zeitlichen Elemente und die flüchtige Subjektivität der Einzelnen als queere Personen, Zivilist:innen und Soldat:innen zu erfassen, da diese Kategorien nicht starr, sondern eher fließend sind.
Wir erzählen eine Geschichte über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aus der Sicht der queeren Community und stellen sie in den Kontext eines jahrzehntelangen Widerstands und Kampfes für Demokratie, Gleichberechtigung und Sicherheit.
Der Dokumentarfilm soll die Geschichten von LGBTIQ-Personen, die vom Krieg in der Ukraine betroffen sind, erzählen und ihnen Gehör zu verschaffen. Durch eine einzigartige Mischung aus persönlichen Erzählungen, Archivmaterial und Aufnahmen von Soldaten will der Film Diskussionen auslösen, Gesetzesänderungen anregen, um gleiche Rechte und Schutz für queere Menschen zu gewährleisten, und die gesellschaftliche Wahrnehmung verschiedener politischer Gruppen infrage stellen. Durch die Erforschung der Schnittmenge von Identität und Widerstand in Krisenzeiten möchte der Dokumentarfilm Empathie, Solidarität und Unterstützung für marginalisierte Gemeinschaften weltweit fördern.
Was wünscht du dir für deine persönliche und berufliche Zukunft?
Derzeit liegt mein Hauptaugenmerk auf dem Dokumentarfilm, ich arbeite aber auch an einem Animationskurzfilm, der die Verbindung der Menschen zu Land und Natur untersucht.
In meiner Praxis möchte ich weiterhin für die Befreiung von queeren Menschen, kollektive Heilung und den Aufbau starker Communities kämpfen.
In Übereinstimmung mit der queer-feministischen Tradition glaube ich an die Dringlichkeit, den Stimmen vor Ort zuzuhören und aus ihren Erfahrungen zu lernen. Ich engagiere mich dafür, die sichtbaren und unsichtbaren Dimensionen des Widerstands - sozial, politisch, kulturell, sexuell - zu erforschen und diese einzigartigen Erzählungen mit der Welt zu teilen.
Nach meinem Studium an der Kunsthochschule für Medien Köln plane ich, ganz in Kyjiw zu leben, am Ausbau des dortigen Aktivistennetzwerks mitzuwirken und das hier erworbene Wissen zu teilen.