Drei Fragen an Dr. Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende der Stiftung EVZ

Im Förderprogramm Bildungsagenda NS-Unrecht werden aktuell 51 Projekte gefördert: Gibt es eines, das Sie im letzten Jahr besonders beeindruckt hat?

Das Engagement, die Professionalität und die Innovationskraft aller Projekte beeindrucken mich. Daher fällt es schwer, eines herauszustellen. Im Gedächtnis geblieben ist mir das Projekt „Have You Seen This Book?“ der Leo Baeck Institute London und Jerusalem – auch aufgrund des Launches im vergangenen Oktober unmittelbar nach dem Überfall auf Israel: Die Initiative erinnert an die Geschichte der im Nationalsozialismus zerstörten Bibliothek der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Mit der digitalen „Library of Lost Books“ werden Interessierte als Citizen Scientists in die Recherche nach den verschollenen Büchern eingebunden. Ganz im Sinne der Bildungsagenda NS-Unrecht erreicht das Projekt neue Zielgruppen und schafft über die zu erforschenden Objekte neue Formate und Inhalte für die Erinnerungskultur. Und die ersten Erfolge ließen nicht lange auf sich warten: In diesem Magazin stellen wir eines der wiedergefundenen Bücher vor!

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ist jüdisches Leben in Deutschland gefährdeter denn je: RIAS Deutschland berichtet von einem sprunghaften Anstieg antisemitischer Vorfälle. Welche Herausforderungen stellen sich für die Stiftung EVZ und ihre Projekte?

Die Perspektive auf die schulische, aber auch außerschulische Bildung zum Holocaust und den Fortwirkungen von Antisemitismus hat sich seit dem 7. Oktober massiv verändert. Wir müssen israelbezogenen Antisemitismus und die Gefährdungslage von Jüdinnen:Juden und jüdischen Institutionen noch entschlossener in den Blick nehmen und verstärkt antisemitismuskritische Projekte initiieren. Unser EVZ-Projekt „Informiert, couragiert, engagiert!“ ist ein konkretes Beispiel dafür, wie Antisemitismus unmittelbar begegnet werden kann: Mitarbeitende verschiedener deutscher Unternehmen nehmen an Blended-Learning-Formaten teil und bilden sich aktiv gegen antisemitische Vorurteile und Äußerungen am Arbeitsplatz – ein Interview mit einer Teilnehmerin findet sich in diesem Magazin.

2025 ist ein bedeutendes Jahr für die Erinnerungskultur: Die Befreiung der Konzentrationslager etwa in Auschwitz und Buchenwald sowie das Kriegsende am 8. Mai jähren sich zum 80. Mal. Was werden die Projekte der Bildungsagenda NS-Unrecht zu diesem besonderen Gedenkjahr beitragen?

Unsere Projekte werden uns mitnehmen auf eine Tour d’Horizon durch die vielfältige Erinnerungslandschaft mit einem Potpourri an Formaten und Veranstaltungen im ganzen Land. Ein kleiner Vorgeschmack? Am 8. Mai 2025 wird das Theater Duisburg einen Tag lang zum „House of Resistance“: In einer begehbaren Installation bespielen diverse Duisburger Künstler:innen das Theaterhaus mit szenischen und musikalischen Formaten rund um jugendliche Widerstandsbewegungen gegen den Nationalsozialismus. Am 20. November 2025, dem 80. Jahrestag des Beginns der Nürnberger Prozesse, wird das Memorium Nürnberger Prozesse am historischen Ort seinen innovativen digitalen Lernraum mit Gamification-Elementen launchen. Auch die Stiftung EVZ, die im kommenden Jahr ihr 25. Gründungsjubiläum begeht, hat viel vor: Mit der Umfrage „MEMO meets Bildungsagenda“ erheben wir den Status quo der Erinnerungskultur und gehen im Anschluss mit den Projekten der Bildungsagenda NS-Unrecht auf eine Townhall-Tour durch Deutschland. Seien Sie dabei und engagieren Sie sich gemeinsam mit der Stiftung EVZ!